Wie wird der Pflegegrad bestimmt?
Um Leistungen aus der Pflegeversicherung zu erhalten, muss ein sogenannter Pflegegrad vorliegen. Die Pflegeversicherung kennt fünf unterschiedliche Pflegegrade. Diese werden nach der Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten unterschieden. Die Feststellung des Pflegegrades erfolgt im Rahmen einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Im Folgenden finden Sie alle wichtigen Fragen und Antworten zum Thema Pflegeeinstufung und Begutachtung für den Pflegegrad.
Welche Pflegegrade gibt es?
Insgesamt unterscheiden die Pflegekassen fünf Pflegegrade. Bis zum Jahr 2016 erfolgte die Einteilung noch in Pflegestufen – seit dem Jahr 2017 wurden sie durch den Pflegegrad ersetzt, auch die Höhe der Leistungen hat sich seitdem geändert.
Den Pflegegrad 1 erhalten Sie mit geringen Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten und den Grad 5 mit schwersten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, die mit besonderen Anforderungen an die Pflege einhergehen.
Im Folgenden sehen Sie eine Auflistung der verschiedenen Pflegegrade mit ihren jeweiligen Voraussetzungen und exemplarischen Leistungen, die beim jeweiligen Pflegegrad von der Pflegekasse übernommen werden.
- Pflegegrad 1: Wenn bei der Begutachtung eine geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit festgestellt wird, erhält der Pflegebedürftige die Einstufung in den Pflegegrad 1. Dies entspricht der Ermittlung einer Punktzahl von 12,5 und 26. Unter der Punktzahl 12,5 wird kein Pflegegrad zugeteilt. Beim Pflegegrad 1 besteht kein Anspruch auf Geldleistung oder Pflegesachleistungen, es gibt jedoch Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Höhe von 125 Euro im Monat. Diese können auch für die Grundpflege durch einen ambulanten Pflegedienst verwendet werden. Für Pflegehilfsmittel werden 60 Euro im Monat zur Verfügung gestellt, für einen Hausnotruf 23 Euro. Für Wohnraumanpassungen gibt es bis zu 4.000 Euro und als Wohngruppenzuschuss 214 Euro.
- Pflegegrad 2: Voraussetzung für den Pflegegrad 2 ist, dass bei der Begutachtung eine erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit bestätigt wird. Das entspricht einer Punktzahl von 27 bis 47,5 Punkten. Der Pflegegrad 2 ermöglicht die Inanspruchnahme von Pflegegeld und Pflegesachleistungen für die Pflege zuhause. Hierfür stehen pro Monat 316 Euro beziehungsweise 724 Euro zur Verfügung. Auch für die Tages- und Nachtpflege, die Kurzzeitpflege, die Verhinderungspflege und die Vollstationäre Pflege werden Leistungen bereitgestellt.
- Pflegegrad 3: Werden bei der Begutachtung mehr als 47,5, aber weniger als 70 Punkte vergeben, wird der Pflegegrad 3, schwere Beeinträchtigung der Selbständigkeit, zugeteilt. Beim Pflegegrad 3 besteht Anspruch auf ähnliche Geld- und Sachleistungen wie beim Pflegegrad 2, jedoch werden höhere Beiträge zur Verfügung gestellt. So steigt das Pflegegeld von 316 Euro im Monat auf 545 Euro pro Monat, die Pflegesachleistung auf 1.363 Euro.
- Pflegegrad 4: Um den Pflegegrad 4 zu erhalten, muss der Gutachter oder die Gutachterin des MDK schwerste Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit feststellen. Dies entspricht einer Punktzahl über 70, aber unter 90 Punkten. Das Pflegegeld ist beim Pflegegrad 4 mit 728 Euro bemessen, die Pflegesachleistung mit 1.693 Euro. Auch die Leistungen für die Tages- und Nachtpflege sowie die Stationäre Pflege werden beim Pflegegrad 4 erhöht.
- Pflegegrad 5: Beim Pflegegrad 5 handelt es sich um den höchsten Pflegegrad, der bei der Begutachtung zugeteilt werden kann. Voraussetzung ist die schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung. Dies entspricht der Punktzahl ab 90 bis 100 Punkten Beim Pflegegrad 5 erhalten Pflegebedürftige und deren Angehörige die umfangreichsten Leistungen aus der Pflegeversicherung. So werden 901 Euro Pflegegeld pro Monat gezahlt, die Pflegesachleistung beträgt maximal 2.095 Euro pro Monat. Auch die Leistungen für einen ambulanten Pflegedienst und die Vollstationäre Pflege werden von der Pflegekasse erhöht.
Wer bestimmt den Pflegegrad eines Pflegebedürftigen?
Die Eingruppierung erfolgt durch einen Gutachter oder eine Gutachterin des Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Hierbei wird überprüft, in welchem Ausmaß der Pflegebedürftige seinen Alltag allein bewältigen kann.
Die Überprüfung der Beeinträchtigung Ihrer Selbstständigkeit oder Fähigkeiten erfolgt differenziert anhand von sechs unterschiedlichen Lebensbereichen, die sogenannten Module. In jedem Lebensbereich werden unterschiedliche Kriterien näher untersucht. Diese Module werden in der abschließenden Bewertung jedoch unterschiedlich gewichtet.
Was versteht man unter den Modulen des Begutachtungsverfahrens?
Es wird für jedes Kriterium der genannten Lebensbereiche der Grad der Selbstständigkeit anhand eines Punktwerts zwischen 0 (Sie können die Aktivität ohne eine helfende Person durchführen, jedoch gegebenenfalls mit Unterstützung von Hilfsmitteln) und – in der Regel - 3 (Sie können die Aktivität nicht durchführen, auch nicht in Teilen) ermittelt. So werden in jedem Lebensbereich der Grad der Beeinträchtigung und der entsprechende Aufwand in der Pflege sichtbar. Am Ende fließen die Punkte mit unterschiedlicher Gewichtung zu einem Gesamtwert zusammen, der für einen der fünf Pflegegrade steht.
Welche Module werden bei der Ermittlung des Pflegegrades überprüft?
Im Folgenden finden Sie eine Übersicht über die verschiedenen Module, die bei der Begutachtung durch den MDK überprüft werden.
- Modul 1 "Mobilität": Die Gutachterin oder der Gutachter schaut sich die körperliche Beweglichkeit an. Zum Beispiel: Kann die betroffene Person alleine aufstehen und vom Bett ins Badezimmer gehen? Kann sie sich selbstständig in den eigenen vier Wänden bewegen, ist Treppensteigen möglich? Das Modul Mobilität wird bei der Gesamteinschätzung mit 10 Prozent gewichtet.
- Modul 2 "Geistige und kommunikative Fähigkeiten": Dieser Bereich umfasst das Verstehen und Reden. Zum Beispiel: Kann sich die betroffene Person zeitlich und räumlich orientieren? Versteht sie Sachverhalte, erkennt sie Risiken und kann sie Gespräche mit anderen Menschen führen? Das Modul Geistige und kommunikative Fähigkeiten macht 7,5 Prozent an der Gesamtbewertung aus.
- Modul 3 "Verhaltensweisen und psychische Problemlagen": Hierunter fallen unter anderem Unruhe in der Nacht oder Ängste und Aggressionen, die für die pflegebedürftige Person, aber auch für ihre Angehörigen, bei der Pflege belastend sind. Auch wenn Abwehrreaktionen bei pflegerischen Maßnahmen bestehen, wird dies hier berücksichtigt. Das dritte Modul erhält bei Gesamtbewertung ebenfalls eine Gewichtung von 7,5 Prozent.
- Modul 4 "Selbstversorgung": Kann sich die Antragstellerin oder der Antragsteller zum Beispiel waschen und anziehen, kann sie oder er selbstständig die Toilette aufsuchen sowie essen und trinken? Das vierte Modul hat bei der Begutachtung die mit Abstand größte Gewichtung – sie liegt bei 40 Prozent.
- Modul 5 "Selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen – sowie deren Bewältigung": Die Gutachterin oder der Gutachter schaut, ob die betroffene Person zum Beispiel Medikamente selbst einnehmen, den Blutzucker eigenständig messen, mit Hilfsmitteln wie Prothesen oder Rollator umgehen und eine Ärztin beziehungsweise einen Arzt aufsuchen kann. Auch das fünfte Modul wird bei der Gesamteinschätzung mit 20 Prozent relativ hoch gewichtet.
- Modul 6 "Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte": Kann die betroffene Person zum Beispiel ihren Tagesablauf selbstständig gestalten? Kann sie mit anderen Menschen in direkten Kontakt treten oder beispielsweise die Skatrunde ohne Hilfe besuchen? Das sechste Modul erhält bei der MDK Begutachtung eine Gewichtung von 15 Prozent.
Wie kann man sich auf die Begutachtung vorbereiten?
Damit sich der Gutachter oder die Gutachterin des MDK ein umfassendes Bild davon machen kann, wie hoch der Pflegebedarf im Alltag ist, sollten sich Pflegebedürftige und ihre Angehörigen gut vorbereiten. Hier sind einige hilfreiche Tipps:
- Fragenkatalog: Der Fragenkatalog, der als Basis für die Begutachtung dient, ist im Internet frei verfügbar (Beispiel Fragenkatalog). Gehen Sie vorher alle Fragen gemeinsam durch und besprechen Sie, welche Antworten Ihre Situation im Alltag am besten wiedergeben. Ein Pflegegrad-Rechner im Internet kann dabei außerdem hilfreich sein.
- Medizinische Unterlagen: Zum Termin mit dem MDK sollten Sie alle relevanten medizinischen Unterlagen vorlegen. Besorgen Sie bereits im Vorfeld ärztliche Befunde, Therapie- und Medikamentenpläne, Krankenhausberichte und Untersuchungsbefunde. Am besten fertigen Sie für den MDK auch bereits Kopien an.
- Pflegetagebuch: Als sehr hilfreich hat sich das Pflegetagebuch erwiesen. Darin notieren Angehörige und Patienten alle Tätigkeiten, die zur Unterstützung im Alltag geleistet werden. Häufig sind viele Leistungen den Patienten und Ihren Angehörigen gar nicht bewusst und fließen so auch nicht mit in die Begutachtung ein. Auch Hilfestellung, Anleitung oder Beaufsichtigung verschiedener Tätigkeiten zählen bereits zur Unterstützung und sollten aufgeschrieben werden. Das Pflegetagebuch sollten Sie über mindestens ein bis zwei Wochen schreiben und dem Gutachter oder der Gutachterin des MDK vorlegen.
- Pflegestützpunkt: In ganz Deutschland gibt es Beratungsstellen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, die sogenannten Pflegestützpunkte. Nutzen Sie die kostenfreie Beratung der Experten, um sich auf den Termin mit dem MDK bestmöglich vorzubereiten. Die Mitarbeiter des Pflegestützpunktes können Sie in der Beratungsstelle, telefonisch oder bei einem Hausbesuch bei Ihnen vor Ort beraten und Sie auf den Begutachtungstermin vorbereiten.
Wie wird die Pflegebedürftigkeit von Kindern festgestellt?
Da auch gesunde Kinder Betreuung und Hilfe benötigen, ist die Feststellung des Pflegegrads bei Kindern eine besondere Herausforderung. Die Pflegekasse hat die Aufgabe den krankheitsbedingten Mehrbedarf zu erfassen und auch nur diesen bei der Beurteilung der Pflegebedürftigkeit zu berücksichtigen. Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Grad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbstständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Eine Besonderheit besteht bei Kindern von bis zu 18 Monaten. Damit diese Kinder mit der fortschreitenden Entwicklung altersentsprechender Kinder nicht immer wieder neu begutachtet werden müssen, werden diese Babys und Kleinkinder einen Grad höher eingestuft.