Leben mit Amputation: zurück in den Alltag finden
Die Geschichten von Menschen mit Amputation sind vielfältig. Verkehrsunfälle, Knochenkrebs, Diabetes, arterielle Verschlusskrankheit: Es gibt viele Gründe, die das chirurgische Entfernen eines Beines oder eines anderen Körperteiles erforderlich machen. Wenn möglich, sollten Betroffene und ihre Angehörigen sich intensiv auf das Leben nach der Amputation vorbereiten.
Einer der wichtigsten Schritte ist dabei – nach der berechtigten Trauer über den Schicksalsschlag – die persönliche Akzeptanz. Ein Arm, eine Hand, ein Bein oder ein Fuß ist für immer verloren, dies lässt sich nicht rückgängig machen. Doch in aller Regel eröffnet die Amputation auch die Möglichkeit für ein neues Leben: Eine Erkrankung konnte mit Hilfe der Amputation besiegt werden, oft sicherte die Amputation das Überleben. Auch wenn es schwerfällt, sollten Patient:innen daher versuchen, neuen Mut zu fassen und die Amputation als Chance zu begreifen. Meist zeigt sich dann, dass auch mit einem amputierten Bein – oder einer anderen Gliedmaße – die selbstbestimmte Gestaltung des Alltags möglich ist, selbst wenn sich ein normales Leben zunächst nicht vorstellen lässt.
Betroffene können lernen, mit der Behinderung umzugehen, und sie müssen damit nicht allein fertig werden. Spezialist:innen unterschiedlicher Fachrichtungen stehen an ihrer Seite. Dazu gibt es eine Vielzahl an Institutionen, Netzwerken und medizinischen Hilfsmitteln, die Unterstützung bieten und dabei helfen, ein aktives und erfülltes Leben zu genießen.
Was erwartet mich nach der Amputation?
Bei einer lebensgefährlichen Erkrankung ist eine Amputation die Chance auf ein neues, schmerzfreies Leben; nach einem Unfall ist sie dagegen ein Schock. Die erste Zeit nach der Operation kann daher für Betroffene unterschiedlich ausfallen. Auch die Einschränkungen können verschieden sein, je nachdem, ob ein Arm, eine Hand, ein Fuß oder ein Bein entfernt wurde. Die Amputationshöhe - die Stelle, an der das Körperteil amputiert wird - spielt dabei eine maßgebliche Rolle.
Nach der Amputation durchlaufen Betroffene verschiedene Stationen, der genaue Ablauf ist individuell unterschiedlich.
- Im Krankenhaus steht die Genesung an erster Stelle. Der Stumpf stellt die Basis für die Prothesenversorgung dar und weitere Schritte erfolgen, wenn dieser wieder belastbar ist. Zur Wundheilung zählt auch die Ödem- und Kompressionstherapie sowie Narbenpflege.
- Mit der Wundheilung wird auch die Physiotherapie eingeleitet. Meist wird schon jetzt eine erste Prothese eingesetzt. Man spricht von prothetischer Frühversorgung: Diese Prothese soll eine rasche Mobilität nach der Operation ermöglichen, ist aber noch nicht endgültig.
- Nach der Entlassung steht die Rehabilitation an. Sie kann ambulant erfolgen oder in einer darauf spezialisierten Klinik. Durch Bewegungstherapie und Muskelaufbau lernen Patient:innen, ihre Amputation bestmöglich auszugleichen, um wieder ein aktives Leben zu führen. Auch praktische Fähigkeiten im Umgang mit dem Stumpf werden erlernt, von der Stumpfpflege bis zur Anwendung von medizinischen Hilfsmitteln zur Kompressionstherapie. Eine Rehabilitation unterstützt Amputierte außerdem dabei, sich in ihrem gewohnten Umfeld wieder zurechtzufinden. Das betrifft das Zusammenleben mit der Familie genauso wie den beruflichen Wiedereinstieg.
- Der Orthopädietechniker bzw. die Orthopädietechnikerin wird schnell eine:r der wichtigsten Ansprechpartner:innen, da eine individuell angepasste Prothese für die Lebensqualität von höchster Bedeutung ist. So kommt im nächsten Schritt eine modular aufgebaute Interimsprothese – eine Übergangsprothese – zum Einsatz, die sich den Veränderungen am Stumpf anpassen kann und anhand derer man sich an das neue Hilfsmittel gewöhnen kann.
- Es folgt eine Phase des Trainings, in der sich auch der Stumpf über die ersten Monate noch verändert. Daran anschließend kann die endgültige Prothese – die Definitivprothese – hergestellt werden. Dank der modernen Prothesentechnik und einer großen Palette an Prothesenpassteilen, Schaftformen und Techniken ist heute eine exzellente Versorgung möglich. Oft haben Amputierte mehr als eine Arm- oder Beinprothese. Neben einer Alltagsprothese sind eine Badeprothese oder eine Sportprothese weitere Optionen. Mit der richtigen Prothese sind selbst Wassersportarten wie Surfen möglich.
Gerade in der ersten Zeit können Schmerzen durch die Amputation auftreten, wie etwa Phantomschmerzen, Phantomgefühle in dem amputierten Körperteil oder Wundschmerzen am Stumpf, die mitunter auch aufgrund von nicht passgenauen Prothesen entstehen können. Gemeinsam mit dem fachärztlichen Personal kann die Ursache eruiert und eine passende Lösung gefunden werden. Das Durchhalten lohnt sich, denn diese Beschwerden sind normalerweise nicht von Dauer.
Wie gehe ich mit einer Amputation im Alltag um?
Die Gestaltung des täglichen Lebens ist anders als vor der Amputation. Doch durch eine gute Zusammenarbeit während der Prothesenfertigung lässt sich die beste Versorgung mit einer Beinprothese oder einer Armprothese finden. Die Statik für den Aufbau der Prothese, der perfekt passende Schaft, das beste Gelenk: Oft ist Millimeterarbeit für optimale Ergebnisse erforderlich. Dafür ist auch auf Patientenseite Geduld gefragt. Eine zu den individuellen Ansprüchen passende Prothese ist das A und O für die Beschwerdefreiheit und Mobilität. Die sorgfältige Stumpfpflege und die tägliche Prothesenreinigung im weiteren Verlauf gehören ebenso dazu.
Viele Menschen können trotz des Handicaps in ihrem Beruf bleiben. Die Arbeitsstätte selbst oder spezielle Berufsberater:innen helfen Betroffenen dabei abzuklären, ob die Beschäftigung im bisherigen Beruf möglich ist und wie die Wiedereingliederung erfolgen soll oder entwickeln bei Bedarf neue Berufsperspektiven. Amputierte Menschen sollten sich auch über ihre Ansprüche auf Unterstützung informieren – beispielsweise einen Schwerbehindertenausweis und ein persönliches Budget.
Wie finde ich wieder Freude am Leben?
Familienmitglieder oder Freunde nicht, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollen. Am besten werden die wichtigsten Personen daher von Anfang an in die Rehabilitation mit einbezogen. Ziehen Sie sich nicht zurück und versuchen Sie nicht, Ihre Behinderung zu verstecken, sondern gehen Sie selbstbewusst damit um und auf die Menschen zu.
Die Möglichkeiten für amputierte Menschen sind vielfältig. Lassen Sie sich von anderen inspirieren, die zum Beispiel den Jakobsweg gepilgert sind – oder auch einfach nur ein erfülltes Leben genießen mit einem Beruf, der ihnen Freude macht und einer Familie, die sie über alles lieben. Viele empfinden es außerdem als sinnstiftend, sich ehrenamtlich für andere Menschen mit Amputation zu engagieren.
Unterstützung bietet zum Beispiel der Bundesverband für Menschen mit Arm- oder Beinamputation e.V. (BMAB), der Peers im Rahmen von „Amputierten helfen Amputierten“ sowie Selbsthilfegruppen anbietet.
Lesen Sie Motivationsgeschichten von Menschen mit Amputation und lernen Sie deren Erfahrungen und individuelle Lebenswege kennen.
Was bedeutet sportliche Betätigung psychisch und physisch für mich?
Für amputierte Menschen hat sportliche Betätigung eine besonders hohe Bedeutung – im Sinne der Rehabilitation, aber auch als aktive Freizeitgestaltung und zur Steigerung der Lebensfreude. Auf physischer Ebene werden Ausdauer, Kraft, Koordination, Flexibilität und Sensorik gefördert. Auf psychischer Ebene wird die seelische Gesundheit durch Spiel, Spaß und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe unterstützt, dazu wirken Sport und Bewegung mobilisierend und motivierend.
Auch die Persönlichkeitsentwicklung wird durch die Förderung der Selbstwirksamkeit, der Selbstständigkeit und die Entwicklung sozialer und emotionaler Kompetenzen unterstützt. Sportliches Training steigert die Belastungs- und Widerstandsfähigkeit, was auch im familiären Alltag und Beruf positiv ist. Zudem bietet der Sport die Gelegenheit, mit anderen Menschen – mit und ohne Amputation – in Kontakt zu kommen.
Besonders beliebt für Menschen mit Amputation sind Sportarten wie Nordic Walking, Fahrradfahren, Schwimmen oder auch Joggen. Wer erst einmal wieder mit Sport angefangen hat, entwickelt oft Ehrgeiz im Parasport. Es müssen nicht direkt die Paralympics sein – Amputierte können zum Beispiel das Sportabzeichen im Deutschen Behindertensportverband e.V. (DBS) ablegen. Dieser ist auch ein guter Ansprechpartner für Sportvereine mit inklusiven Sportangebote in der Nähe.
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